Inzwischen lieben ihn alle. Auch Thomas Fuchs. Der bekennende Fan von Bayer Leverkusen beschreibt seinen Weg zu Jürgen Klinsmann: 1:2 Niederlage gegen eine tschechische B-Elf. Vorrundenaus bei der Europameisterschaft 2004. Der Super-GAU. Der deutsche Fußballfan am Boden und ich unten drunter. Das allgemeine Fazit lautet: Die Mannschaft spielt katastrophal, das Ausscheiden ist mehr als verdient. In der Presse wird der Begriff "Rumpelfüßler" wieder bemüht. Unser aller Lieblingslockenkopf Rudi Völler erklärt seinen Rücktritt.
Zwei Jahre vor der WM im eigenen Land ist es in Fußballdeutschland zappenduster. Dumm gelaufen, aber da müssen wir jetzt durch, eine Lichtgestalt soll her, aber sowohl Beckenbauer, als auch Rehagel und Daum erteilen dem DFB eine Absage. "I hope we have a little bit lucky”-Lothar würde gerne – aber wer will den schon? Zu diesem Zeitpunkt zaubert Gerhard Mayer-Vorfelder (auch so jemand, den niemand will) seine neue Wunderwaffe aus dem Hut:
Jürgen Klinsmann. Jürgen Who? War das nicht der, der auf meinen Panini-Bildchen immer so blöde gegrinst hat? Kosenamen wie "Schwabenschwuchtel", "Warmduscher" oder "Submarine Commander“ kommen mir beim Namen Jürgen Klinsmann spontan in den Sinn. Und dann auch noch zusammen mit dem Traum-Trio Jogi, Andi und Olli...
Na ja, die ersten Testspiele laufen widererwartend ganz gut: vier der nächsten fünf Spiele werden gewonnen, keine Niederlage, das 1:1 gegen Brasilien ist sicherlich ein achtbares Ergebnis. Wir spielen keinen Überfußball, aber es wird merklich besser. Der von allen als WM-Generalprobe gehypte Confederations-Cup liefert sogar erste Gründe, doch an den bereits abgeschriebenen WM-Titel im eigenen Land zu glauben. Klinsmann mischt den angestaubten DFB derweil ganz schön auf, hochdekorierte alte Herren werden zum Entsetzen der Medien demontiert und neue, frische, innovative Leute installiert. Frischer Wind beim DFB – gibt´s ja gar nicht, langsam beginnt mir Herr Klinsmann sympathisch zu werden.
Dem zwischenzeitlichen Hoch folgt, genau wie beim bundesdeutschen Wetter, ein lang anhaltendes Tief, das in der Niederlage der Deutschen gegen die Italiener gipfelt. Unser mühsam lieb gewonnener Bundestrainer ist bei der Presse wieder unten durch, ich ziehe in Erwägung, den Juni doch im Ausland zu verbringen. Die Flüge sind zumindest angenehm günstig. Die nahende WM lässt mich meine Auswanderungsgedanken dann doch wieder verwerfen und die Vorfreude steigt trotz weiterhin fehlender WM-Karten rapide an. Am 9. Juni, dem Tag des Eröffnungsspiels, sitze ich schwitzend und bis zum Zerreißen gespannt, mit Deutschland-Iro und Fahne bewaffnet, in einer Public-Viewing-Area. Und dann das Wunder: unsere Mannschaft spielt herzerfrischenden Offensivfußball, der alle Skeptiker verstummen lässt. Das erste Mal seit Jahren wirklich schöner Fußball, für den man Jürgen Klinsmann die Füße küssen möchte. Mittlerweile bete auch ich, selbst wenn wir den Weltpokal dann doch nicht gewonnen haben, zur Kirche Jürgen Klinsmann: "Jürgen unser, der du bist in Kalifornien..."
Bitte Klinsi mach weiter! |